Kapitel 4 & 5 von „Liam und die Hilfe von oben“ jetzt verfügbar

Du möchtest mal wieder eine schöne und herzerwärmende Geschichte lesen, vielleicht auch mal fernab des ABDL-Genres? Dann schau dir doch mal meine neue Geschichte "Liam und die Hilfe von oben" an. Frisch upgedatet mit Kapitel 4 und 5. Viel Spaß beim Lesen!

Liam und die Hilfe von oben

[02] Ziemlich beste Feinde

»Du setzt dich nun am Besten, Jonas. Dort hinten bei Liam ist noch Platz.«
Liam? Nein Moment. Der Liam? Das kann nicht sein! Oder doch?
Grübelnd machte ich mich auf den Weg zu dem einzig freien Platz neben Liam, ließ meinen Rucksack neben dem Tisch fallen und tat selbiges mit mir, nur nutzte ich den etwas bequemeren Stuhl und nicht den Boden des Raums.
»Hey, Jonas. Verrückt. Wir kennen uns vom Spielplatz. Ich bin der Liam, der neben dir auf der Schaukel saß.«
»Ruhe jetzt, Leute! Wir wollen endlich weitermachen. Es gibt noch einigen organisatorischen Kram, der erledigt werden muss. Ich brauche von jedem ein Passbild, damit ihr aktuelle Schülerausweise bekommt, außerdem…« So ging es die ganze Stunde über, doch ich schweifte schnell in meinen Gedanken ab. Der Typ neben mir, den hatte ich nicht nur auf dem Spielplatz getroffen. Er war es auch, der damals auf der Beerdigung meiner Oma aufkreuzte und als einer der letzten ging. Was wollte er dort? Woher kannte er meine Oma? Warum ist er auf dem Spielplatz aufgekreuzt und hatte mich nicht auf die Beerdigung angesprochen? Dann hätte ich ihm ins Gesicht gesehen und direkt erkannt, dass er der selbe Typ war. Fragen über Fragen bildeten sich in meinen Gedanken und immer wieder spürte ich seinen Blick von der Seite.
Als endlich das Läuten der Glocke ertönte, schrack ich aus meinen Gedanken und sah noch, wie Frau Morel den Raum verließ. Sofort baute sich Sven vor mir auf und ich reckte meinen Hals nach oben.
»Na Kleiner, du bist also der neue Überflieger in der Klasse, ja? Heimst die Lorbeeren ein und lässt uns normaler Haufen wie Dreck aussehen? Ich verrat’ dir mal was«, und er bückte sich herunter an mein Ohr, damit nur ich die nächsten Worte hören konnte, »wir haben schon einmal solch eine Kanalratte wie dich rausgeekelt. Das sollte uns bei dir auch gelingen, dreckige, kleine Schwuchtel.« Die letzten Worte sprach er im normaler Lautstärke aus und heimste ein paar Lacher aus der Klasse ein. Die Mädchen blieben dagegen stumm, schauten mich dafür mit einem beinahe herzlichen Blick an. Muttergefühle?
»Lass ihn in Ruhe, Sven.« Liam hatte sich erhoben und bäumte sich nun vor Sven auf. Dieser grinste nur schief und zeigte seine Zähne.
»Ah, wie ich sehe, hast du schon deinen persönlichen Bodyguard. Oder ist er dein Lover, Liam? Denk dran, Sex mit einem 10-Jährigen ist strafbar, du Pedo!« Wieder ein paar verhaltene Lacher aus der Klasse, die das Gefecht zwischen uns dreien gespannt beobachteten.
»Ich bin 14«, erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen kleinlaut.
»Ja sicher und ich bin der Kaiser von China.« Wow, wie schlagfertig. »Denk dran, du bist einer und wir sind viele. Leg dich am besten nicht mit uns an.«
»Du und welche Armee, Sven? Du hast doch nur ein großes Maul, aber wenn es hart auf hart kommt, ziehst du den Schwanz ein. So war es schon immer, weißt du noch? Damals, in der sechsten Klasse? Soll ich dich wirklich daran erinnern?«
Feindselig funkelten sich Sven und Liam an und insgeheim bewunderte ich Liam dafür, dass er sich so für mich einsetzte, wo er mich doch kaum kannte. In dem Moment war ich ihm unglaublich dankbar, doch ich kam nicht umhin mir Gedanken zu machen, was mich mit ihm verband, wo er doch offenbar meine Oma zu kennen schien.
»Pass auf Liam, für wen du in die Bresche springst. Das könnte für dich ganz mies enden.« Damit drehte er sich endlich um und ging auf seinen Platz. Mit seinem Sitznachbarn gab er sich ein High Five, doch nicht viele konnten sein Grinsen teilen. Einige schauten immer noch gespannt zu mir und Liam, doch der setzte sich nun wieder und schlotterte vor unterdrücktem Zorn.
»Hey – ähm, danke.«
»Kein Problem. Sven ist ein Kotzbrocken. Der ist zu allen Neuen ein Arsch, dabei waren wir mal beste Freunde. Aber er hat sich verändert.«
Ich sagte keinen Ton mehr, denn augenblicklich öffnete sich die Tür und ein Mann mittleren Alters betrat den Raum.
»Okay, dann mal Klappe zu und Ohren auf, Jungs und Mädels. Holt eure Mathebücher raus und öffnet Seite 5. Löst Aufgabe 3 und 4. Für die ganz schnellen unter euch, könnt ihr noch 5 b) lösen, für einen Extrapunkt in der Bewertung. Also los, ihr habt 35 Minuten Zeit.«
Ich öffnete das Buch und schaute mir die Aufgaben an. Lächerlich, das würde ich in einer Viertelstunde geschafft haben. Ich zückte meinen Füller und rechnete in Windeseile die Aufgaben durch. Mehrfach spürte ich einen Blick von Liam, der ganz beeindruckt von meiner Geschwindigkeit schien. Hier und da sah ich ihn Lösungen von mir übernehmen, aber das war mir gleich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er sich das verdient hatte.
Tatsächlich war ich in etwas unter 15 Minuten mit den Aufgaben fertig und auch die Zusatzaufgabe bereitete mir keine Probleme. Ich schaute um mich und stellte fest, dass alle anderen noch schrieben oder verstohlen auf die Blätter ihrer Nachbarn schauten. Was sollte ich nun tun? Aufstehen und meine Aufgaben abgeben? Dann würde ich bestätigen, was Sven vorhin über mich daherredete. Oder sollte ich einfach so tun, als würde ich noch schreiben, um den Hass der Mitschüler nicht weiter anzustacheln?
»Du, Junge? Abschreiben führt zu einer direkten sechs.«
»Aber ich schreibe nicht ab, ich bin fertig.« Verdammt, warum konnte ich nicht einfach meine Klappe halten? Aber ich war schon immer stolz auf meinen Intellekt und an meiner alten Schule war das auch kein Problem, schließlich kannten sie mich nicht anders. Aber hier?
»Du bist – was?« Verblüfft hievte sich der Lehrer aus seinem Stuhl und kam den Gang zu meinem Tisch. Ich vernahm das höhnische Lachen von Sven und seinem Sitznachbarn. »Zeig’ mal her«, sprach er und nahm sich den Bogen Papier. Seine Augen huschten schnell über die Lösungen und Verblüffung machte sich auf seinem Gesicht breit.
»Alles klar, du darfst nun deine Sachen packen und in die Pause gehen.«
Damit hatte ich nicht gerechnet. An meiner alten Schule musste jeder, egal ob er schon fertig war oder nicht, so lange auf seinem Platz sitzen bleiben, bis alle anderen auch fertig waren. Zögernd stand ich auf und schwang mir den Rucksack über die Schulter. Ich sah, wie Liam angespannt über die Lösungen nachdachte, die er noch nicht von mir abgeschrieben hatte. Ich schaute zu Sven herüber, der mich wütend anschaute und mit seinen Fäusten knackte. Hilfe, wo bin ich hier nur gelandet?
Befreiend sog ich die frische Luft ein und ging zu einer Tischtennisplatte, die auf der Mitte des Hofes stand. Dort ließ ich meinen Rucksack nieder und hievte mich hoch. So verweilte ich im Schneidersitz und dachte weiter über diesen Liam nach.

Noch vor dem offiziellen Pausenklingeln, schlenderten einige Schüler aus dem Tor auf den Schulhof, darunter auch einige aus meiner Klasse, gefolgt von Liam. Als er mich erblickte, steuerte er direkt auf mich zu und ließ sich neben mir auf der Tischtennisplatte nieder.
»Danke man, du hast mir echt den Hals gerettet. Wenn ich nicht von dir abgeschrieben hätte, hätte ich nie auch nur den Hauch einer Chance bekommen, etwas Besseres als eine vier zu bekommen.« Er strahlte mich an und klopfte mir anerkennend auf die Schulter.
»Kein Ding. Woher kennst du sie eigentlich?« Verwirrt schaute er mich an. »Helene Wurzel? Woher kanntest du sie? Ich hab dich auf ihrer Beerdigung gesehen. Sie war meine Oma.« Traurig ließ ich den Kopf hängen. »Du warst bei ihr, aber ich wusste nicht, dass du sie kanntest. Woher?«
Er schaute mich weiterhin verwirrt an. »Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich kenne keine Helene Wurzel.«
Verständnislos schaute ich ihm in seine hellbraunen Augen. Eine Augenbraue zog er nach oben und kleine Fältchen bildeten sich auf seiner Stirn. Sein lockiges Haar wurde durch den Wind ordentlich zerzaust, aber das schien ihm egal zu sein, denn er machte keine Anstalten, sie zu glätten.
»Aber ich habe dich doch da gesehen. Ganz sicher. Du warst neben mir der letzte, der noch an ihrem Grab stand. Ich dachte nur – ich weiß auch nicht.« Eine Träne rann mir das Gesicht herunter und wütend wischte ich sie weg. Warum musste ich ausgerechnet jetzt anfangen zu heulen?
Plötzlich spürte ich, wie sich die Arme von Liam um meinen Oberkörper schlangen und er mich ganz fest drückte. Ich war so perplex, dass ich mich nicht dagegen wehrte. Es fing mir sogar an zu gefallen und so lehnte ich meinen Kopf gegen seine durchtrainierte Brust und fing an zu schluchzen. Er löste seinen rechten Arm von mir und fing sachte an mir über die Haare zu streicheln.
»Ist schon gut, lass alles raus.« So verharrten wir eine Weile, bis uns eine Stimme aufschrecken ließ.
»Ach ist ja süß, da haben sich ja tatsächlich zwei gefunden. Unsere Dorfmatratze und der Neue. Und geflennt hat er auch noch. Ich sag ja, in der Grundschule wäre er besser aufgehoben.«
Sven betrat den Schulhof, gefolgt von seinem Sitznachbarn. Wutentbrannt sprang Liam von der Tischtennisplatte und stürmte Sven entgegen.
»Halt deine Fresse, Sven. Sonst bekommst du es mit mir zu tun, hast du verstanden?« Ich folgte Liam und blieb mit etwas Abstand hinter ihm stehen. Ganz wohl war mir bei der ganzen Sache nicht.
»Ach wie süß, drohst du mir etwa, du Tunte? Was willst du denn tun, hä? Willst du -?« Weiter kam er nicht, denn schon grub sich die Faust von Liam in Svens Bauch und ließ ihn überrascht zusammensacken. Ich hing an Liam und wollte ihn von ihm wegzerren, doch ich war nicht stark genug. Sven kniete vor Liam und hielt sich den Bauch.
»Das wirst du noch bereuen, Liam! Das schwöre ich dir.« Das wurde Liam nun offenbar zu bunt und er trat zu. Ich hing immer noch an Liam, konnte ihn aber nicht aufhalten.
»Jungs, was ist hier los?« Frau Morel kam auf uns zu und zerrte Liam von Sven weg. »Kann mir mal einer verraten, was das soll? Ihr prügelt euch? Ist das dein Ernst, Liam? Und du, Jonas? Du hilfst ihm auch noch dabei? Ich hätte echt mehr von dir erwartet.« Ohne unsere Proteste anzuhören, schliff sie uns ins Sekretariat und verständigte unsere Eltern und den Direktor. Der kam mit etwas säuerlicher Miene aus seinem Büro und baute sich vor uns auf.
»Ihr prügelt euch also? Ist das wahr?« Niedergeschlagen schauten wir auf den Boden. Ich hätte sagen können, dass ich Liam davon abhalten wollte, Sven zu verprügeln, aber ich wollte Liam das nicht allein durchstehen lassen, schließlich setzte er sich für mich ein und das rechnete ich ihm hoch an.
»Eure Eltern werden gleich da sein. Ihr werdet für drei Tage von der Schule suspendiert. In der Zeit solltet ihr genau über euer Handeln nachdenken.«